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Interview: "Das pure Leben spüren" mit Barbara Messer - Teil 1

 

Ich bin stolz darauf, dass sich meine Trainer-Kollegin Barbara Messer bereit erklärt hat, den Auftakt der Interviews "Trainer/innen on the road" zu machen. Barbara hat eine sehr ungewöhnliche Geschichte zu erzählen - sie ist so spannend, dass sie richtig lange geworden ist und ich sie in zwei Teile aufgesplittet habe. Lest selbst:

 

Du hast ja ein Jahr lang im Wohnmobil gelebt. War das schon lange geplant oder eher eine spontane Idee?

Das war sicherlich spontan und es ist fast im Moment entstanden. Im Nachhinein hat sich das mit einer alten Sehnsucht gedeckt unterwegs zu sein, Abenteuer zu haben und viel draußen zu sein. Aber der Auslöser war tatsächlich, dass ich ein Haus auflösen musste und aus Vermögens-Auseinandersetzungen nicht an das Geld für mein Haus kam. So wusste ich nicht wohin - ich wusste nur: da kann ich nicht mehr bleiben und eine Mietwohnung geht gar nicht. Dann wurde der Gedanke geboren, o. k.  dann lebe ich lieber im Übergang und diesen Übergang zu leben war für mich der Anfang alles wegzugeben, zu verkaufen, aufzulösen und auszumisten. 

 

Hattest du das Wohnmobil schon vorher oder hast du dir das extra dafür gekauft? 

Das habe ich mir dann extra gekauft. Sehr blauäugig. Im Nachhinein hätte ich mir ein anderes Modell genommen. Ich denke, das geht vielen so, dass das nicht das ist was sie hinterher gut finden.

 

Du warst also vorher nicht eingefleischte Camperin? Sondern das war Neuland?

Wohnmobil war absolutes Neuland. Was ich kenne, ist viel Zelten und auch lange unterwegs sein mit Fahrrad oder Boot. Und in meiner frühen Jugend habe ich öfter mal in einem VW-Bus übernachtet. Aber ich bin jetzt nicht die typische Camperin mit dem Wohnmobil oder Wohnwagen.

 

Sensationell finde ich, dass du den Mut gehabt hast, deine Katze Hexe mitzunehmen und auch das Vertrauen hattest sie an unterschiedlichen Orten laufen zu lassen? Wie schafftest du das? 

Ich glaube, dass meine Katze und ich eine ganz tiefe Verbindung haben und dieses Jahr im Wohnmobil hat unsere Beziehung noch vertieft. Sie ist für mich unglaublich nah und sehr wichtig. Sie ist ein sehr eigenständiges Wesen. Ich wusste nicht wohin mit ihr, ich musste sie mitnehmen. Und im Nachhinein bin ich sehr froh. Ich habe das auch stückweise mit ihr trainiert. Die ersten Tage habe ich sie an der Leine gehabt und dann gab es mal einen Platz, da bin ich zwei Tage gestanden und dann dachte ich o. k.: jetzt muss die Katze raus. Und dann war das vom Handling ganz unkompliziert. Sie ist einfach schnell wieder gekommen. Dann ging das in immer größeren Schritten. 

  

Im Erzgebirge, da gab es ein Abend auf einer Zwischenstation, da ist sie wie ein Hund mit gegangen als ich mit meiner Partnerin noch spazieren gegangen bin auf einen Hügel. Da hat sie dann eine Maus gefangen und das war der dritte Tag in Freiheit und da merkten wir: das geht.

 

Gab es auch kritische Situationen mit Hexe?

Es gab zwei ganz haarige Situationen in denen ich wirklich auch panisch war. Zwei Nächte war sie zweimal weg: einmal in Mainz und in einmal in Ulm, mitten im Straßengewirr. Sie entwischte uns mitten in der Stadt beim Türe-Öffnen und war weg. Da hab ich sie nur noch irgendwo tot und überfahren gesehen. Ich war unterwegs von einem Auftrag zum nächsten und da hatte ich zufälligerweise mein anderes Auto dabei weil es schon zum geplanten Winterquartier ging. Ich musste weiter und bin dann vorgefahren. Nicola hat dann nach der Katze gesucht. Sie fand sie schließlich in einer Garage eingesperrt. Das waren so Grenzsituationen. Aber ansonsten wusste ich genau: wenn wir ankommen, dann kann ich sie auch rauslassen. Und wir suchten auch immer den Platz so aus, dass er katzengerecht ist.

        


relaxte Hexe
relaxte Hexe

Musste Hexe auch einmal drinnen bleiben?

Es gab einmal eine Übernachtung in der Nähe des Frankfurter Flughafens und da hab ich sie nicht rausgelassen. Da war sie wirklich zwei Tage drinnen und dadurch dass sie viel schläft, ging das auch . Ich hatte aber den Eindruck, sie weiß, dass es jetzt nicht anders geht. Wir haben alle drei - wir waren ja zu dritt unterwegs - sehr gelernt mitzukriegen, was braucht der andere und wo ist der Kompromiss. Und ich bin ganz sicher, dass meine Katze weiß, dass ich keine andere Wahl hatte. Jetzt ist sie glücklich mit ihrem Garten. 

 

Was war dein eindrucksvollstes Erlebnis in deinem Jahr im Wohnmobil?

Eines war ein unverhoffter Platz in der Nähe von Regensburg direkt an einem Wegesrand wo wir drei Tage stehen geblieben sind. Das war für mich das absolute kleine Glück. Da haben wir gerade noch genügend Wasser gehabt und Strom reichte auch gerade noch - das war für mich das allerschönste. Das war im Sommer und das war auch schon zu Ende des Wohnmobil-Jahres. Wir starteten im Sommer im August und das hört auch wieder im August auf.

 

Und ein zweites eindrucksvolles Erlebnis war als wir ein Winterquartier brauchten. Wir wollten von Mitte Dezember bis Ende Januar  eine Wohnung mieten. Ich hatte eine absolut romantische Vorstellung, dass ich da in Ruhe schreiben kann, dass wir da zur Ruhe kommen werden. Wir haben uns seit Wochen auf diesen Tag gefreut. Und dann war alles ganz anders: es war einfach grauenvoll. Zum Beispiel eine leere Bierkiste unter einer wackeligen Schlafcouch, die ein Bett sein sollte und der Blick aus dem Fenster war wirklich eine einzige Katastrophe. Es war für uns unmöglich zu bleiben.

 

Und so wurde es auch ein eindrucksvoller Abend als dieser Traum zerplatzte. Wir sind dann an der Elbe gestanden, es war eiskalt, total dunkel. Wir warfen mit klammen Fingern die Münzen in den Stromkasten. Es war zweiter Advent und irgendwie ist alles zerbrochen und das war eine wirklich schwere Situation. Wir haben erstmal einen Grappa und einen Sekt getrunken und haben geheult. Das eindrucksvolle war dann aber, dass wir irgendwann Musik angemacht und sogar getanzt haben. Und wir haben stückweise weitergemacht. Wir sind nicht ins Winterquartier und nicht in den Süden gefahren, sondern waren vor allem in Deutschland, Österreich und Schweiz unterwegs. Ich habe meine Aufträge ganz normal gehabt und bin dann eben von einem zum nächsten gefahren. 

 

Was hast du denn von der Wohnmobil-Zeit für dein sesshaftes Leben mitgenommen?

Dass es schwer ist wieder anzukommen und sesshaft zu werden. Und das ganz viele Draußen-sein. Ich habe immer draußen gekocht und jetzt mache ich das auch wie verrückt. Und ich habe mitgenommen, dass ich nicht viel brauche. Ich habe vor dem Jahr extrem viel aussortiert auch danach, als wir übergangsweise in eine Wohnung gezogen sind. Jetzt frage ich mich ständig: brauche ich das ganze Zeug wirklich? Dabei ist mir aufgefallen: ich habe so viel Schuhe, das ist mir richtig unangenehm, ich hatte auch im Wohnmobil richtig viele Schuhe! Aber eigentlich brauch ich wirklich nicht viel und das ist schön. Ich kann sofort ankommen und auch sofort eine schöne Situation aus wenigem schaffen. Und Gastfreundschaft hat für mich eine ganz neue Bedeutung bekommen.

 

Ich habe auch noch ein paar ganz praktische Fragen, z.B. seid ihr v.a. freigestanden oder auf Campingplätzen?

Das kam auf die Jahreszeit an und auf das Arbeitspensum. Ich brauchte auch oft viel Strom und wir waren recht schlicht ausgestattet. Wir hatte noch nicht mal so ein Gerät, das man in den Zigarettenanzünder stecken kann. Wir sind trotzdem sooft es ging frei gestanden, alleine in der Natur. Wenn das nicht möglich war wegen Aufträgen, dann sind wir auf Stellplätzen gestanden - aber immer katzengerecht, also immer mit einer Hecke oder einer Böschung oder sowas. Und es gab auch Tagungshotels mit denen ich einen Deal hatte, dass ich dort stehen konnte. Da war auch sofort klar, dass die Katze da herumläuft. Es gibt ein Tagungshotel da hatten wir Kontakt zur Reinigungskraft und da durften wir dann Wäsche im Keller waschen. Das war etwas richtig schönes. Gerade Tagungshotels fanden das sehr spannend. Aber der liebste Platz ist mir alleine irgendwo draußen.

 

Wie hast du denn gute Übernachtungsplätze gefunden?

Ich habe irgendwann eine gute Strategie entwickelt, wie ich den Platz finde - gerade weil wir oft nachts irgendwo ankamen. Ich habe dann auf der Landkarte geschaut, wo ist Ruhe, also keine Autobahn oder so in der Nähe. Dann habe ich auf Google-Earth geschaut und damit habe ich dann exakt den richtigen Platz gefunden. Das waren Parkplätze, Feldwege und alles mögliche. Mittlerweile habe ich einen guten Blick und finde eigentlich überall gute Plätze. Im Frühjahr und Sommer am liebsten frei, im Winter auf Stellplätzen mit Strom und Wasser. Einen Campingplatz haben wir nur dann aufgesucht, wenn wir mehrere Tage hatten und Wäsche waschen wollten. 

 

Habt ihr jemals Ärger bekommen, als ihr irgendwo standet?

Wir hatten neulich eine grenzwertige Situation auf dem Weg zur Messe "Zukunft Personal" und da hatten wir einen Zwischenstopp eingelegt und da hat nachts jemand ans Auto geklopft und da sind wir sofort - im Schlafanzug  - weggefahren. Denn das war jemand, der sah unangenehm aus. Wir sind auch oft spätabands auf einen Stellplatz gefahren und frühmorgens wieder weg, einfach um die Sicherheit der anderen Wohnmobile zu haben. Da hatten wir dann auch ein paar Lieblingsplätze mit meist wenigen Wohnmobilen, denn uns war sehr wichtig, dass wir genug Platz um uns herum haben und auch bei den anderen nicht allzu sehr in die Intimsphäre eindringen.

 

Und wie war das mit Dusche oder Toilette?

Das Wohnmobil war ja mit Dusche und Toilette ausgestattet und darüber bin ich sehr dankbar! Eine eigene Toilette und Dusche, das war sehr wichtig. Es gibt ja manchmal auch Trainingsaufträge wo man das, was da passierte sofort loswerden will. Ich bin dann ins Wohnmobil, habe geduscht, mich umgezogen und dann war ich zu Hause - das habe ich geliebt! Auch bei Regen oder Hagel.

 

Was gehört für dich in jedes Trainer-Wohnmobil?

Pinnwand und Flipchart gehört unbedingt dazu! Du weißt ja nie was dich erwartet. Zum Glück hatten wir eine große Heckgarage. Und viele Schuhe und die brauchen irrsinnig viel Platz. Und wir hatten ein super Kasten-System mit den ganzen Trainer-Utensilien, die waren wasserfest und gut beschriftet. Das System wurde immer besser, wir haben lange gefeilt und es gab auch klare Zuständigkeiten. Ich habe z.B. nichts mit dem Packen zu tun gehabt - ich kümmerte mich um die Küche dafür. Ich habe dann immer gesagt: ich habe das Training XY und dafür brauche ich diese 3 Kisten. Es war für mich sehr wichtig, immer alles dabei zu haben. Das war in dem Wohnmobil Jahr leichter als jetzt, weil ich immer alles dabei hatte. Das habe ich geliebt.

 

Gibt es noch etwas anderes, was mit Trainings nichts zu tun hat, auf das du niemals verzichten willst?

Gemütliche Bettwäsche, das finde ich sehr wichtig. Eigentlich alles, was so körpernah ist, muss gemütlich sein. Also Handtücher, Lieblingskleidung. Ich fand Fotos von meinen Lieblingsmenschen ganz wichtig, die hatte ich auch aufgeklebt. Ich würde nie ohne Katze wegfahren, selbst wenn es nur 3 Tage sind, einfach weil sie dazugehört. Und dann diese kleinen Klapphocker, um sich mal eben schnell rauszusetzen.

 

Hattest du auch etwas völlig Überflüssiges dabei? 

Unendlich viel ist überflüssig. Aber ich weiß jetzt nichts spezielles. Eher zu viel von allem: zu viele Bücher, zu viel Essens-Vorrat, zu viele Büromaterialien, zu viele Spiele und auch Hörbücher, die wir nie gehört haben. Achja, und wir haben davon geträumt, Sushi selber zu machen. Den Klebereis und die Algen dafür haben wir genau so wieder rausgenommen, wie wir sie reingepackt haben. 

 

 

Im zweiten Teil des Interviews lässt uns Barbara ein bisschen am Alltag als Trainerin on the Road teilhaben. Und sie wird von ihrem Buch erzählen, in dem sie ihre Zeit im Wohnmobil sehr packend und lebensweise schildert. Das Interview wird in Kürze veröffentlicht, ich freue mich schon riesig darauf!!

 

Übrigens: ihre Erlebnisse hat Barbara in dem sehr sehr lesenswerten Buch "Das pure Leben spüren" in diesem Jahr veröffentlicht - darauf werde ich noch einmal gesondert eingehen. Hier kann es bestellt werden.

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