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Zen - und die Kunst Gemüse zu schneiden

   

Die überschüssige Energie, die sich heute im Laufe des Tages angesammelt hat, darf als erstes bei einem kräftigen Schnitt in die harte, ungekochte Karotte abgelassen werden. Es braucht Kraft und zugleich Präzision, damit schöne - etwa 1,5mm - Scheiben herauskommen. Ganz besonders gut tut das Wissen, dass ich ein richtig -richtig! - scharfes Messer in der Hand halte. Ich merke, dass nach den ersten beiden Karotten schon viel Stress und Anspannung von mir abgefallen sind und ich mich bald den anderen Gemüsesorten widmen kann.

  

Irgendwann habe ich gemerkt, dass Kochen für mich eine der entspannendsten Tätigkeiten überhaupt ist. Und innerhalb des Kochens ist es tatsächlich vor allem das Gemüse-Schnippeln, das mir sehr gut tut. Was für andere eine lästige Pflicht ist, genieße ich in vollen Zügen. Vor allem an Tagen wie diesen. Was ist passiert?

  

Morgens lese ich eine SMS einer Teilnehmerin eines Online-Kurses, dass der Zugang zur Kursplattform nicht funktioniert. Als ich mir mein Teewasser aufsetzen möchte, merke ich, dass das Gas leer ist. In dem Moment wo ich aus dem Bus rausgehe, um die Gas-Kartusche zu wechseln, fängt es an heftig zu regnen. Dann klemmt das Aufstelldach aus unerfindlichen Gründen und zur Krönung fällt mir auch noch die Tasse mit dem gerade aufgebrühten Tee um. Klasse Einstieg in den Tag. Und genau so ging es dann immer weiter. Auch wenn ich diese Aneinanderreihung von Missgeschicken und Problemen mit Humor nehmen konnte, so war es summa summarum ein stressiger Tag. Ziemlich angespannt kehrte ich nach einem langen Seminartag zu meinem Stellplatz zurück. Und freute mich ganz unglaublich auf das Essen-Kochen ;-).

  

Ich mag die Konzentration, die es braucht, um schnell und genau das Gemüse zu bearbeiten, zu schneiden und zu präparieren. Der Kopf wird immer freier. Hartes Gemüse wie Karotten oder Kohlrabi nehme ich mir meist zu Beginn vor, denn es sind absolute Stress-Ventile. Dann brauche ich meistens etwas, wo ich präzise und fokussiert schneiden kann, z.B. kleine Zuchini-Würfelchen oder hauchdünne Knoblauch-Scheibchen - oder Ingwer-Stifter. Dabei kann ich ganz in die Konsistenz, die Leichtigkeit des Schneidens und manchmal auch in die Schneidegeräusche eintauchen. 

  

Pilze oder Lauch beispielsweise können Quietschgeräusche von sich geben, eine Sellerie eher ein Knirschen. Jedes Gemüse ist anders, ja sogar jede Kartoffel unterscheidet sich von der anderen. Diese Unterschiede wahrzunehmen, ist Meditation pur. Ganz ungewollt. Ohne dass es ein "Konzept" ist. Es ist einfach eine alltägliche Erfahrung, die mir lange gar nicht bewusst war.

  

Ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich nach einem Seminar-Tag des permanenten "Nach-Außen-Gerichtet-Seins" nicht in ein Hotel-Zimmer muss, sondern in meinem Bus beim Entspannungs-Kochen komplett abschalten kann. 

 

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